01. Der Künstler
Der in Düsseldorf lebende Künstler Sven Kroner (*1973) arbeitet mit dem Mittel der figurativen Malerei – in der jedes Bildelement einen „realen“ Gegenstand darstellt, der als solcher erkennbar ist – und wendet die jeweils scheinbar unbestreitbare Ausdeutung gegen sich selbst.
Indem er mittels Figuration zunächst eine Illusion erzeugt, enttarnt sie sich als ebendiese. Dabei orientiert sich die hier verwendete Auffassung von Realität primär an einem naturwissenschaftlichen Weltbild und einer Welterfahrung, die stark von einer Sozialisation der Aufklärung geprägt ist. Neben physikalischen Tatsachen scheinen dabei vertraute Muster, Konventionen und ein geprüfter Erfahrungswert maßgeblich zu sein. Kroner befragt diese vermeintlich innewohnende Faktizität seiner figurativen Darstellungen und stellt mit dem artifiziellen Blick durch das Fenster gleichsam eine innerbildliche Referenz zur illusionistischen Malerei des Trompe-l’OEil her, in der das Dargestellte aufgrund seiner perspektivischen Dreidimensionalität und täuschenden Echtheit vom Betrachter als tatsächlich vorhanden empfunden wird. Gleichzeitig verwendet er die Technik des „Mise en abyme“.
02. Die Ausstellung
Die Neue Galerie Gladbeck zeigt vom 22. November 2019 bis zum 14. Januar 2020 in der Ausstellung “Planetoiden” Arbeiten des Künstlers Sven Kroner und gewährt damit Einblicke in besondere Welten.
Indem der Künstler als Stilmittel ein Bild im Bild platziert, hinterfragt er das Medium selbst und fordert den Betrachter ebenfalls dazu auf, die Aussage des Mediums zu hinterfragen. Obwohl er für jede Täuschung gleich das passende Indiz liefert, überlagert die Figuration die Netzhaut sinnbildlich mit einer Art Wahrheitsfilter, in dem das Auge zwar die Irritation wahrnimmt, der Verstand jedoch kurz zu zögern scheint.
03. Highlights
Subtil verwebt Sven Kroner die Ebenen von faktischer Realität, Illusion und Fantasie zu einem untrennbaren Wechselspiel, indem er als ein weiteres Stilmittel die Größenverhältnisse zueinander verschiebt.
Diese minimale Veränderung überträgt sich unmittelbar auf die Handlungsebene und transformiert motivisch unspektakuläre oder vertraute Elemente in eine märchenhaft-fantastische Überraschungswelt. Gleichzeitig bildet er feine innerbildliche Korrespondenzen, in denen sich zwei Bildelemente durch Blickachsen dynamisch zu einer möglichen Geschichte verdichten. In dieser Lesart erhält der Schneemann eine Seele. Sein Kopf wirkt leicht geneigt und die vormals blicklosen Augen ruhen auf seinem gemalten Konterfei, das in geringem Abstand vor ihm als kleinformatiges Gemälde auf dem Boden liegt. Nachdenklich und melancholisch ertasten sie die Konturen seiner Silhouette, welche ihm die eigene materialbedingte Vergänglichkeit bewusst werden lässt.
Die veränderten Größenverhältnisse stimulieren die Fantasie des Betrachters und lassen aus den dunklen Flecken und kleinen Bodenrissen winzige Tannen sprießen, während grünliche Farbkleckse zu sumpfigen Arealen transformieren. Durchschnitten von Vertiefungen im Boden, werden diese kontextualisiert und wandeln sich im Auge des Betrachters zu hellgrauen Miniaturwegen, die ins Nichts führen. Der makelhafte Boden wird zur Imaginationsfläche, auf welcher der Rezipient von einem märchenhaften Narrativ ins nächste gleitet. […]
Textauszug: Nadia Ismail, Vertrauen Sie Ihren Augen?, 2017 Hatje Cantz Verlag