VIVIAN GREVEN WATER

20.01.2023 – 26.03.2023

Ein steter Neubeginn

„Der Neubeginn, der mit jeder Geburt in die Welt kommt, kann sich in der Welt nur darum zur Geltung bringen, weil dem Neuankömmling die Fähigkeit zukommt, selbst einen Anfang zu machen, d.h. zu handeln.“ – Hannah Arendt

 

Während Natalität, vom lateinischen Wort natalis (zur Geburt gehörend) abgeleitet, im philosophischen Diskurs oft im Schatten der Fragen nach Sterblichkeit, Tod und Ende stand, beanspruchten die Künste sie seit Langem metaphorisch für Figuren des Anfangs. Neben Zeugung und Empfängnis, hierzulande v.a. in der christlichen Bildtradition, markieren Eltern- und Schwangerschaft sowie Geburt ein diskursives Feld ästhetischer Hervorbringungen und Neuanfänge. Für die Publizistin und Philosophin Hannah Arendt bedeutete die Geburt, die unbedingte Möglichkeit des Neuen – einem neuen Denken oder neuem (politischen) Handeln Einzug in die Welt zu gewähren.

Die Künstlerin VIVIAN GREVEN offenbart in ihrer Ausstellung WATER eine Reihe großformatiger Malereien, die unterschiedliche Momente von Geburten darstellen. Greven malt die Geburt explizit, sie stellt sie an sich dar, als einen Handlungsakt. Und trotz der expliziten Bildsujets wirkt es, als würde die Zeit in den Gemälden stillstehen: sie bergen etwas Unendliches.

Zwei Körper verschmelzen unter der Wasseroberfläche, ein Baby-Kopf schwimmt und wird gehalten. Das Wasser bricht die Perspektive und ist zugleich Firnis, eine farbige Fläche, die, wie Sonnenlicht, den Raum flutet. Auf dem Gemälde <0> II ist über zwei Hände die unwiderstehliche Oberfläche medizinischer Handschuhe gestülpt, die nach dem klaren Kopf eines Babys greifen. Sein Kopf ist Bild- und Spannungszentrum. Zwei Schenkel öffnen sich in Farbe und werden ihrerseits zu abstrakten Bergen, zu Farbflächen, die eine Landschaft formen. Warme braune und orangene Farbverläufe stellen sich neben Blau und Weiß. Was hier geschieht ist deutlich, doch weder brutal noch voyeuristisch. Zwar ist der Blick der Betrachter:in ein außenstehender, dennoch spricht die gemalte Formation eine universelle Sprache. Greven vereint in ihrer neuen Werkreihe das Abstrakte und das Explizite, unendliche Weite und den kleinsten Beginn.

So zeigt ein weiteres Gemälde <0> I zwei Hände, die einen kleinen Körper ins Licht der Welt ziehen. Der Körper des Neugeborenen ist tiefschwarz, mit kleinen weißen Punkten versehen und gleicht dem Blick in einen wolkenklaren Nachthimmel. Hier greift ein ästhetisches Fortschreiben metaphorischen Interesses im Werk Grevens, doch mit gänzlich neuem Potenzial. Eines, das vielleicht dem Verständnis Arendts nahesteht und zugleich die Malerei als steten Neubeginn zu postulieren weiß. Und ist nicht das Wasser selbst Grundbedingung des Lebens und Versprechen des Neubeginns?

Luisa Schlotterbeck

ÜBER VIVIAN GREVEN

Vivian Greven (1985 in Bonn) studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und schloss 2015 als Meisterschülerin ab. Sie ist in internationalen Museumssammlungen vertreten wie dem Kunstmuseum Bonn, Kunstpalast Düsseldorf, Xiao Museum Rizhao, Long Museum Shanghai, Sammlung Kunsthaus NRW oder Kunstmuseum Stuttgart.

Einzelausstellungen der letzten Jahre waren 2021 im Kunstmuseum Langmatt, Kunstverein Heidelberg, Galerie Kadel Willborn, Gallery Vacancy oder 2020 im Kunstpalais Erlangen zu sehen sowie Werke in zahlreichen Gruppenausstellungen vertreten wie u.a. 2023/22 „Berührende Formen“, Alte Nationalgalerie Berlin; „VierMalVier“, Kunsthalle Hamburg; „I am Stepping High“, Xiao Museum of Contemporary Art, Rizhao, CHN oder „Something Between Us“, Kunsthalle Nürnberg.

Vivian Greven wurde unter anderem mit folgenden Auszeichnungen geehrt, wie dem 2020 Marianne-Defet-Painting-Award, Nürnberg, 2018 Artist in residence, Providence College Galleries, Providence oder bereits 2011 Artist in Residence, Bow Arts Trust, London.