WILHELM MUNDT | totes Kapital

14.04.2023 – 25.06.2023

In seiner Ausstellung totes Kapital in der Neuen Galerie Gladbeck zeigt der Künstler Wilhelm Mundt eine komplexe Rauminstallation, die als skulpturale Erweiterung gelesen werden kann und der Ausstellung ihren prägenden Titel schenkt. Ein Raum aus schwarzem Industriegummi verschalt den ehemaligen Lesesaal des Altbaus der Neuen Galerie. Die Architektur negierend erzeugt Mundt einen neuen Raum, dessen Innerstes zunächst Unbehagen und Beklemmung evoziert. Krematorium, Schlächterei und Tiefgarage sind Assoziationen, die im Kopf der Betrachter:innen umherschwirren.

Schwarze und weiße Trashstones, die in Form und Oberflächen-beschaffenheit variieren, befinden sich darin. Teils verstreut, teils gehäuft, scheinen ihre Membranen an einigen Stellen mit dem Raum zu verschmelzen und geben dabei ein amorphes Bild ab. Kreidespuren und Notizen des Künstlers verstärken den fremdartigen alchimistischen Charakter der Installation, der durch den intensiven Geruch des Gummis untermauert wird; Fußspuren stellen physikalische Verhältnisse in Frage. Ein ungewöhnliches Bild, wirken die Steine doch meist wie aus der Welt gefallen – wie Nancy Holts Sun Tunnels(1973–76), könnten sie ebenso in der Wüste liegen – nun sind wir es, die aus der Welt gefallen sind und betreten den Raum, wie Affen einen unbekannten Planeten.

WILHELM MUNDT Trash

Tatsächlich gefangen ist der übergroße Trashstone 532 (2011-2023) in einem Käfig in der großen Ausstellungshalle. Die Farbe des Käfigs entspricht der des Steines und impliziert seine Zugehörigkeit. Ein Paradoxon? Wer wird hier vor wem geschützt?  Der Künstler generiert mit der skulpturalen Gefangenschaft eine animistische Wirkungskraft, die die leblose und starre Materie vermeintlich zum Leben erweckt. Dabei untermauert er die Leibhaftigkeit des Trashstone nicht einzig allegorisch.

Dort, wo innen und außen aggregieren, verwischen die Grenzen zwischen Plastik und Installation: Was ist Skulptur? Wo endet Sie? Sind wir Teil von ihr?

Der Ausdruck totes Kapital impliziert im übertragenen Sinne nicht einzig ungenutztes Wissen oder Können oder die Leblosigkeit ökonomischen Materials, auch verweist er auf das lebendige Kapital – das Kapital des sterblichen Menschens – wie Beuys es zu erklären suchte: über die materialistische Verengung hinaus, nach der Erweiterung des Kunstbegriffs, ist das menschliche Kapital menschliche Fähigkeit und ihre Gestalt.

Wilhelm Mundt erforscht und provoziert die Grenzen bildhauerischen Arbeitens und kehrt – so scheint es – die Verhältnisse um: das Äußere wird zum Inneren, die Gestalt wird Handlung, Totes wird beseelt. Widersprüchlich und zugleich ganz selbstverständlich seziert der Künstler das eigene Tun und verdichtet dialektische Spannungsverhältnisse zu einem neuen Erfahrungsraum.

Luisa Schlotterbeck